Unterrichtskonzept Irish Folk


Zielgruppe: Musikschüler von Instrumenten Geige, Flöte, Akkordeon, Mandoline, Gitarre.


Voraussetzungen: Die Schüler sollten technisch schon soweit sein, dass ihnen ein Spiel in D-Dur vom eingestrichenen D bis zweigestrichenen H (bei Geigen auf allen Saiten die erste Lage, bei Flöten in den ersten beiden Oktaven) bei mäßig schnellem Tempo von 80 bpm bequem möglich ist. Später sind dem spieltechnischen Grad nach oben keine Grenzen gesetzt. Die Melodien des Irish Folk und das Spiel nach Gehör sind – je nach Tempo – auch für sehr erfahrene Spieler eine Herausforderung.


Workshop Zeit: Wochenende (4 x 120 Minuten) oder wochentags vor-/nachmittags nach Absprache (z.B. 16 x 90 Minuten)

Projektwoche  Zeit: (5 x 180 Minuten)

  1. Dozentin

Daniela Messer spielt Irisch Folk seit 16 Jahren und unterrichtet seit 10 Jahren Irish Folk u.a. mit Workshops für den Landesmusikrat Hamburg und die LAG-Folk Schleswig-Holstein.

  1. Was tun wir im Offenen Spielensemble/Workshop für Irish Folk?

In erster Linie werdenTunes nach Gehör gelernt; dabei in gelegentlichen Erklärungseinheiten auf das Wesen der irischen Volksmusik eingegangen.

Der Unterricht ist als Ergänzung zum eigentlichen Instrumentenunterricht gedacht. Er ist eine Übung im Ensemblespiel, die Besonderheit ist das Spiel ohne Noten, welches den direkten Zugang zum Instrument und damit die intuitive Spielfertigkeit und die technische Geläufigkeit verbessert.

  1. Die Materie: Was sind Tunes und wie spielt man Irish Folk?

Definition

Tunes sind Tanz-Melodien, und in der Regel sind sie:

  • technisch einfach

  • einstimmig/unisono

  • meist 2-teilig mit je 8 Takten pro Teil (ein Tune hat also meist 16 Takte)

  • in den Tonarten mit maximal 3 Kreuzen (keine B-Tonarten)

  • mit englischem oder gälischen Titel

  • traditionell, d.h. von unbekanntem Komponisten und mit Aufführungsrechten für jedermann

Tunes lernt man am besten vom Lehrer oder von MP3-Aufnahmen. Natürlich gibt es auch Noten; sie sind in vielen Datenbanken im Internet kostenlos zu finden.


Ausführung

Tunes, die dem Spieler gefallen, lernt er auswendig und dieses persönliche Repertoire steht dem Spieler jederzeit und überall zur Verfügung. Mehrere Musiker setzen sich im Kreis zusammen und nun kann die handgemachte Musik schon beginnen. Wichtig ist, dass man seine Mitmusiker gut hören kann. Von zwei bis über 20 Leute können an einer Session teilnehmen, wobei es allerdings oft bei mehr als 10 Musikern nicht so ganz einfach ist, über Augen und Ohr miteinander präzisen Kontakt zu halten.


Die meisten Musiker in einer Session werden Melodiespieler sein. Begleitmusiker wie Gitarren, Bodhranspieler ergänzen die Session mit ihrem Backing. Sehr schön ist es auch, wenn Sänger mit ihren Songs die Session auflockern.


Verbreitung

Irish Session Tunes werden vorwiegend in Irland und Schottland gespielt, sind aber auch überall auf der Welt verbreitet. In jeder größeren Stadt gibt es irische Sessions und man ist überall eingeladen sofort mitzumachen. In einer fremden Stadt neue, nette Leute kennenzulernen wird somit ganz einfach.


Spieler

Natürlich ist Alter und Hintergrund der Spieler einer Session oft unterschiedlich. Eine Altersbandbreite von über 50 Jahren ist keine Seltenheit. Gerade junge Menschen werden es lieben, einen Platz auf Augenhöhe  in einer Runde Älterer einzunehmen und Kontakt und Unterstützung zu bekommen.


  1. Die Unterrichtsreihe

Wir erlernen in 16 Stunden á 90 Minuten 16 Tunes aus dem Slow Session Repertoire. Die Schüler müssen nicht notwendigerweise alle Stunden besuchen, da die Stunden nicht aufeinander aufbauen. Gegebenenfalls hat der Schüler dann einfach einen Tune weniger in seinem persönlichen Repertoire oder er lernt ihn zuhause nach. Natürlich dürfen die Schüler darüber hinaus alle Tunes lernen, die ihnen gefallen. Es gibt tausende wunderschöne Tunes, aus denen die Slow Session Hamburg einfach nur einige sehr verbreitete Standards herausgesucht hat.

Tuneliste:

  1. Peg Ryan's Polka; D

  2. Britches full of Stitches; Polka; A

  3. Tripping upstairs; Jig;

  4. My darling asleep; Jig;

  5. Sliabh Russel; Jig; Am

  6. ....

16.


  1. Die Unterrichtverlauf

Nach dem Stimmen der Instrumente wird der Unterricht begonnen mit der Wiederholung der letzten beiden Tunes. Grundsätzlich werden im Irish Folk die Tunes dreimal hintereinander durchgespielt, so auch bei uns.

Jetzt wird der neue Tune vorgestellt: der Lehrer spielt ihn einmal im mäßig schnellen Tempo von vielleicht 80 bpm vor. Die Schüler sind eingeladen, ein Aufnahmegerät – es reicht ein Handy oder ein MP3-Player mit Diktierfunktion – als Gedächtnisstütze für zuhause mitlaufen zu lassen.

Um den Tune dann richtig auswendig nach Gehör zu lernen gibt es mehrere Methoden. Der Lehrer probiert, welche für die Schüler die einfachste ist.

  1. Die Senso-Methode – für Anfänger
    Funktioniert wie das gleichnamige Spiel: man beginnt mit der ersten Note und bei jedem Durchspielen wird immer ein Ton mehr von der Melodie angehängt.

  2. Portionen – für Fortgeschrittene
    Der A-Teil wird in sinnvolle Portionen unterteilt - meist bietet sich taktweise an - und die Abschnitte werden erst einzeln geübt, dann nach und nach zusammen gespielt. Geht schneller als Methode 1.

  3. Für Geübte
    Ein ganzer Tune-Teil wird komplett durchgespielt und sehr oft wiederholt. Hat den Vorteil, dass ein Tune-Teil von den Schülern gleich von Beginn an als musikalische Einheit empfunden wird.

Zum Schluss werden wieder die alten Tunes wiederholt und dabei der neue gleich in ein Set (2 oder mehr Tunes, unmittelbar aufeinander folgend) eingebaut.


Im Rahmen einer Projektwoche werden etwa 2 Tunes pro Tag gelernt und ansonsten möglichst viel  Sessionatmosphäre geschaffen, in denen die Schüler die Musik unbefangen ausprobieren können. Die Woche bietet darüber hinaus - im Gegensatz  zu den kürzeren Workshops - einen Zeitrahmen, in dem die Schüler einen grundlegenden Irish-Step-Schritt in den Grundzügen kennen lernen können. Er bringt nicht nur Bewegung in die Klasse, sondern macht auch richtig Laune. Dieser Step-Schritt ist ein universaler Tanzschritt mit 12 Steps über zwei 4/4-Takte und kann später zu allem möglichen getanzt werden. Je mehr Mittänzer, je lauter der Krach, desto mehr Spaß bringt's.

Jeden Morgen soll der Unterricht ein ruhig und ein wenig meditativ  mit dem gesammelten Anhören eines langsamen Tunes oder Liedes vom CD-Player anfangen. Danach stehen die Schüler auf und ein etwas verlangsamtes Tune bzw Tanz-Set wird vorgespielt. Am ersten Tag versuchen die Schüler Step 1&2 an der richtigen Stelle zu machen. In den darauffolgenden Tagen wird der Step ausgebaut.


  1. Lernziele der Unterrichtsstunde

Neben genauem Hören lernen die Schüler vorallem gutes Timing.

Irish Folk steht irgendwo zwischen der E-Musik und der U-Musik. Die U-Musik kennzeichnet, dass sie einen Puls hat. Diese spielt in der E-Musik eine untergeordnete Rolle oder fehlt mitunter. Für die U-Musik und Irish Folk ist er essentiell: die Stücke sind durchrhythmisiert, unterscheiden also durchgängig in schwere und leichte/betonten und unbetonten Zählzeiten. Durch das Spiel dieser Betonungen erweitert der Schüler sein Musikempfinden.


Der Schüler lernt, keine Angst vor Lücken in seinem eigenen Spiel zu haben. Da er sich auf den durchgängigen Rhythmus verlassen kann, kann er immer wieder in die Melodie zurückfinden. Der Schüler bekommt so mehr musikalische Souveränität.


Der Schüler trainiert sein Melodiegedächtnis. Die Melodien lernt der Schüler ohne Noten. Sie werden gleich im Gedächtnis gespeichert. Der Schüler entdeckt, dass sich selbst komplizierte Melodien gut merken lassen, wenn man sich einmal darauf eingelassen hat. Er erweitert seinen musikalischen Wortschatz und dadurch kann er komplexere Musik viel leichter nachvollziehen.


Spieler jeden Alters kennenlernen. Für Jugendliche ist es sehr bereichernd, Freundschaften mit älteren Leuten außerhalb der Familie und der Schule zu schließen. In einer Session ist der Jugendliche gleichrangig mit erwachsenen Mitspielern. Schüler können unter Volksmusikern Spielpartner und Mentoren kennenlernen. Um in unserer Anfänger-Session den Schülern den Einstieg zu erleichtern, soll ihm je nach Wunsch ein erwachsener Mitspieler zur Seite gestellt werden, der ihn unterstützen kann.


Englisch lernen. Es würde auch Sinn machen, den Unterricht auf Englisch abzuhalten. Da der Stundenablauf immer ähnlich ist, ist der Wortschatz auch immer ähnlich, und so können sich die Schüler gleichzeitig in die Musik, als auch in die Sprache einhören. Wie im Irish Folk Unterricht der Schüler lernt, sich in der Vielfalt der Töne nach und nach zu orientieren und aus unzusammenhängenden Tönen die Melodie bei jedem neuen Durchgang genauer zusammenzusetzen, so lernt er auf genau die gleiche Weise es auch in der Englischen Sprache den Satzsinn zu verstehen, ohne alle Wörter zu kennen. Er wird sich die Sprachmelodie und Grammatik einhören und die Bedeutung der Wörter nach und nach ergänzen, so wie er die Melodie nach und nach um ihre Töne ergänzt. So lässt sich der Folkunterricht um englische Konversation erweitern und wird dadurch gleichzeitig ein authentisch irischer Workshop.


Selbstverständlich kann der Unterricht zunächst auch zweisprachig – erst Englisch, dann Deutsch – gegeben werden.


  1. Weiterführendes

  • Man verliert die Scheu, Englisch zu sprechen: die Musik dient als „Vehikel“ für den Austausch mit Iren und Musikern weltweit. Workshops irischer Lehrkräfte oder gar Reisen zu den sogenannten „Fleadhs“ (sprich: Flahs) in Irland = Festivalwochenenden mit Konzerten, Tanz und Unterricht, machen es leicht, sich der englischen Sprache zu nähern.

  • Kindern kommt sehr entgegen, dass ein Tune in einer einzigen Stunde abgehandelt werden kann – im Gegensatz zu klassischen Stücken, die oft wochenlang durchgenommen werden. Oft werden sie für eine einzige Aufführung eingeübt und danach nie wieder hervorgeholt. Die Tunes hingegen kann man jederzeit und überall spielen.

  • Die Kinder werden selbständigere Musikinterpreten. Ein klassisches Stück – besonders Orchesterwerke – sind meist in die äußeren Umstände einer Erwachsenenwelt eingebettet: die Räumlichkeiten werden von Erwachsenen verwaltet, die Proben festgesetzt. Die Volksmusik hingegen bietet den Kindern viel Freiheit. Mit Freunden kann man im Wohn- oder Kinderzimmer, auf Reisen und am Lagerfeuer spielen.

  • Volksmusik ist vom Spieler für den Spieler. Ein Tune klingt vielleicht direkt nach dem Auswendiglernen noch ein bisschen holperig oder ungelenk. Das darf er auch. Er wird über die Jahre sicherlich noch häufig gespielt werden und automatisch mit jedem Durchgang verfeinert, abgeschliffen, variiert, geläufiger, schneller. Vorerst genügt es aber, wenn der Schüler den Tune nach bestem Vermögen so spielt, wie er ihm am besten gefällt. In der Volksmusik ist keine spieltechnische Perfektion verlangt oder vonnöten. Ein ungekünstelter fröhlicher Umgang mit ihrer selbstgemachten Musik bleibt Schülern dadurch lang erhalten.


  1. Beispielmaterial

Sessionbeispiele:


Sharon Shannon Transatlantic Sessions

http://www.youtube.com/watch?v=1ZGJCuy_9c8


Pubsession (unbekannte Musiker)

http://www.youtube.com/watch?v=NPlgkVLlhwQ


Cara in Ennis

http://www.youtube.com/watch?v=5q2EUUwELv4&NR=1


Discover Ireland with Blacky the Piper

http://www.youtube.com/watch?v=zh__w-KuxCg